ISFP – Der Künstler

Die dominante Funktion des ISFPs ist das introvertierte Fühlen. Seine zweite Funktion ist das extravertierte Empfinden. Diese Kombination bewirkt, dass er wie kaum ein anderer Typ in der Lage ist, seine körperlichen Bedürfnisse wahrzunehmen und bestrebt ist, seine Umwelt hiermit in Einklang zu bringen.

Aus diesem Antrieb heraus entwickelt sich oft ein überragender Sinn für Ästhetik und die schönen Dinge des Lebens. ISFPs genießen es, im „Hier und Jetzt“ zu leben und haben eine ausgezeichnete Wahrnehmung der sie umgebenden materiellen Welt. Oft haben sie eine künstlerische Ader, und tatsächlich sind sie in vielen Bereichen der Kunst überrepräsentiert. Sie sind begabt im Kombinieren und Erschaffen von Werken, die die Sinne ansprechen. Selbst wenn ISFPs diese Fähigkeit nicht zu ihrem Beruf machen, zeigt sich die Wertschätzung für Ästhetik in vielen Bereichen ihres Lebens. Oft üben sie ein Hobby aus, in dem sie ihre kreativen Fähigkeiten entfalten können. Die meisten ISFPs spüren das intensive Bedürfnis, in irgendeiner Art schaffend tätig zu sein. Dies beruht darauf, dass ihr introvertiertes Gefühl den Input von außen benötigt. Nur in Ausübung einer Tätigkeit durch die der ISFP sich selbst und seine Umwelt sinnlich wahrnehmen kann, ist er in der Lage die belebende Wirkung seiner ersten Funktion zu spüren. Ihre Anwendung ist unmittelbar an den kreativen Prozess geknüpft.

ISFPs sind von Natur aus sanft und unaufdringlich. ISFPs haben ein reichhaltiges Gefühlsleben, von dem jedoch nur wenig nach außen dringt. Allenfalls vertrauen sie sich ihnen sehr nahstehenden Personen an. Es fällt ihnen meist schwer ihre Gefühle in Worte zu fassen. Sie drücken diese lieber durch ihr Handeln aus.

Im Allgemeinen wirken sie freundlich, wenn auch etwas zurückhaltend. Sie gehen rücksichtsvoll mit anderen um und drängen ungern ihre Meinung auf. Sie vermeiden den offenen Konflikt und sind an einem harmonischen Miteinander interessiert. Da ihre Gefühlsfunktion sich nach innen richtet, sind ISFPs eher verhalten, diese Gefühle anderen mitzuteilen. Oft wirken ihre Gesichtszüge kindlich unverfänglich, gelegentlich auch kühl und distanziert abweisend. Letzteres Erscheinungsbild nehmen sie oft dann ein, wenn sie in ihren Gefühlen verletzt sind oder ihnen andere Menschen zu aufdringlich erscheinen. Dies kann bereits dann der Fall sein, wenn andere Menschen ihre Gefühle überschwänglich und nach Meinung des ISFPs zu intensiv ausdrücken. Es berührt sie zumeist unangenehm, wenn andere versuchen, in ihnen bestimmte Gefühle zu erzeugen.

Sie bemerken feinste Nuancen im Erscheinungsbild ihrer Mitmenschen und gelangen in der Regel zu den richtigen Schlüssen über deren Gefühle. Ihre Introversion zeigt sich zumeist in dem hohen Bedürfnis, Zeit alleine zu verbringen. Da sie in Begegnung mit anderen sehr auf Rücksicht bedacht sind, schränken sie sich in Gesellschaft stark ein. Zum Ausgleich schaffen sie sich gerne Freiräume, wo sie ungestört sein wollen und können sehr unleidlich reagieren, wenn diese eher unsichtbaren Grenzen absichtlich aber auch versehentlich von anderen verletzt werden.

Durch die gefühlsmäßige Bewertung ihrer Umwelt erschaffen sie sich ein starkes inneres Wertesystem und sind bestrebt, ihr Handeln hiernach auszurichten. ISFPs zeigen sich oft widerspenstig, wenn sie den Eindruck haben, fremdbestimmt zu werden. Sie beugen sich nur ungern Gruppenzwängen, wobei sie diese weniger offensiv ablehnen, sondern eher auf Rückzug setzen. Ihr kulturelles Interesse ist oft jenseits des Mainstreams angesiedelt.

ISFPs lassen die Dinge auf sich zu kommen und vermeiden es, Pläne zu schmieden. Sie agieren lieber spontan und setzen auf Improvisation. Darin ähneln sie den anderen SP-Typen, insbesondere dem ESFP. Dieser genießt jedoch gerade die Unvorhersehbarkeit der unmittelbaren sinnlichen Erfahrung. Da der ISFP in erster Funktion ein urteilender Typ ist, ist er weniger an der neuen Erfahrung interessiert als daran, seine Erfahrungen mit dem eigenen Wertesystem in Übereinstimmung zu bringen. Der Wunsch, im Einklang mit dem eigenen Idealen zu leben, kann manchen ISFP vorsichtig gegenüber neuen Eindrücken stimmen und ihn dazu verleiten, sich lieber bekannten angenehmen sinnlichen Erfahrungen zuzuwenden.

Als Kinder sind ISFPs neugierige Entdecker, die keinen Zwang verspüren, irgendwelche Ziele zu erreichen. Sie erfreuen sich am Erkunden ihrer Umwelt, seien es Pflanzen, Tiere, ungewöhnliche Gegenstände oder Menschen, und vergessen hierbei oft die Rituale und Vorgaben ihrer Familie. Wenn die Eltern viel Wert auf Struktur und Ordnung legen, kann den ansonsten sehr empfindsamen Kindern schnell das Gefühl vermittelt werden, alles falsch zu machen. ISFP-Kinder lernen am besten durch Erkunden, und dies bedeutet auch den Lerngegenstand mit allen Sinnen zu ergreifen und aktiv auf den praktischen Nutzen zu prüfen. Die herkömmlichen Schulmethoden sind den meisten ISFPs zu abstrakt. Wenn sie die Anwendbarkeit des Wissens und den Bezug zu ihrem Leben nicht erkennen, sind sie nicht sonderlich motiviert, sich damit zu beschäftigen.

Die Berufswahl eines ISFPs orientiert sich zumeist nicht so sehr am Prestige und Geldbeutel als an dem Wunsch, einen persönlich erfüllenden Beruf zu finden. Entsprechend eignen sich ISFPs besonders für Berufe in denen sie ihre kreativen Fähigkeiten ausleben können. ISFPs sollten verstärkt auf ihre Fähigkeit zur Improvisation setzen und Jobs suchen, die abwechslungsreiche Tätigkeiten und viel Freiraum zum Ausprobieren bieten.

Aufgrund ihrer Fähigkeit Bedürfnisse zu erspüren, sind ISFPs zu ungewöhnlich hoher Empathie fähig. Anderen Menschen und Lebewesen mit ihren praktischen Fähigkeiten zu helfen, ist für viele ISFPs eine erfüllende Erfahrung. Ihre einfühlende Art prädestiniert sie für soziale Berufe.

Sie neigen dazu, allgemeine Handlungsrichtlinien zu ignorieren und ihre eigenen unkonventionellen Lösungswege zu entwickeln. Daher sind Berufe mit rigiden Vorgaben, hohem Verwaltungsaufwand und viel Routinetätigkeiten auf Dauer wenig zufriedenstellend für den freiheitsliebenden ISFP.

ISFPs gelangen eher selten – und wenn doch, dann weniger aus innerer Überzeugung – auf Chefpositionen. Ihr Unbehagen kontrolliert zu werden, schließt auch die Abneigung andere zu kontrollieren ein. Sie mögen zwar kurzfristig ihrer Rolle gerecht werden, längerfristig ist das Aufstellen und Durchsetzen von Fristen und der ständige Zwang sich bestimmter Abläufe und Kontrollmechanismen zu bedienen für ISFPs kräftezehrend und aufreibend.

ISFPs arbeiten lieber hinter den Kulissen an der Erfüllung konkret anstehender  Aufgaben. Dabei sind sie sehr gewissenhaft und darauf bedacht, ihren bestmöglichen Beitrag zu leisten. ISFPs tendieren dazu, ihre Fähigkeit unter Wert zu verkaufen. Da sie nur ungern über sich reden, passiert es ihnen oft, dass weniger geeignete Personen die Lorbeeren heimtragen.

Unter dem dominanten Einfluss des introvertierten Fühlens laufen ISFPs Gefahr überhöhte Erwartungen an sich selbst und andere zu stellen. Dies passiert vor allen dann, wenn ISFPs ihre dominante Funktion zu wenig mit ihrer zweiten Funktion – dem extravertierten Empfinden – ausbalancieren. Das extravertierte Empfinden hilft ihnen viele, verschiedene Erfahrungen zu sammeln und damit ihr Wertesystem ständig neu zu überarbeiten. Da ISFPs ihr Wertesystem stark mit ihrer Identität verbinden, befürchten gerade unreife ISFPs, sich, durch neue Erfahrungen und die dadurch notwendige Überarbeitung ihrer Werte, von sich  selbst zu entfernen und hierbei ihren eigenen Werten untreu zu werden.

Tatsächlich übersehen sie, dass ihre Urteilsfunktion darauf basiert, ständig neue Erfahrungen zu evaluieren. Das hieraus resultierende Wissen hängt in der Qualität stark von der Anzahl und Breite der gemachten Erfahrungen ab. Niemand würde einen Weinkenner zu Rate ziehen, der nur zwanzig Weine in seinem Leben gekostet hat. Entsprechend ist auch das Wertesystem des ISFPs nur so gut, wie seine im tatsächlichen Leben gesammelten Erfahrungen. ISFPs müssen auf der Hut sein, sich nicht neuen Erfahrungen gegenüber zu verschließen. Denn ohne ausreichende Erfahrungen ist ihr Wertesystem nicht in der Lage zwischen Werten, die fundamental menschliche Anliegen vertreten und als allgemein verbindlich verteidigt werden müssen und solchen, die nur ihrer subjektiven Laune entspringen, zu diskriminieren. Die auf mangelhafter Tatsachengrundlage aufbauenden Werte sind zumeist nicht erreichbar.

Das Festhalten an unrealistischen Erwartungen an sich und andere, führt zu ständigen Enttäuschungen und  verstärkt die Tendenz des ISFPs, an sich selbst zu zweifeln und sich zurückzuziehen.

Wenn ein derartiger Zustand längere Zeit anhält, kann der daraus resultierende Dauerstress auch dazu führen, dass der ISFP in die Fänge seiner unterentwickelten Funktion – dem extravertierten Denken – gerät. Während ein geübter Anwender diese Funktion normalerweise einsetzt, um bestimmte vorgegebene Ziele möglichst effizient durch Ausführung von standardisierten Verfahren zu erreichen, führt sie beim ISFP eher ein vernachlässigtes Dasein. Die unpersönliche nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende Art zu urteilen ist dem ISFP normalerweise suspekt. Oft wehrt er sich gegen die von ihm wahrgenommene Unmenschlichkeit von institutionalisierten Verfahrensweisen.

Unter dem archaischen Einfluss des extravertierten Denkens ist der ISFP überzeugt, dass seine subjektiven Werte die richtigen sind, geplagt von der Angst inkompetent zu sein, wirft er anderen Inkompetenz vor. Er entwickelt ein rigides Schwarz-Weiß-Denken und hat keine Probleme damit, andere auf (für seinen Typ) ungewöhnlich negative Art und Weise von der Richtigkeit seiner Ansichten und Methoden zu überzeugen und herumzukommandieren.

Eine derart negative Entwicklung kann jedoch unabhängig vom o.g. Szenario auch dann eintreten, wenn ISFPs den Verlust von liebgewonnen Menschen fürchten, in einem Umfeld leben, dass ihren durchaus berechtigten Werten feindlich gegenüber steht oder sie zu einem hohen Maß an Organisation und strukturierten Vorgehen zwingt und dadurch das Vertrauen des ISFPs in seine eigenen Methoden untergräbt.

Je besser ISFPs lernen, ihre Realität zu akzeptieren, desto klarer erkennen sie, dass ihr Wertesystem und damit sie selber auch dann noch intakt sind, wenn ihre Umgebung diese Werte nicht vertritt. Ein ISFP mit einem gut entwickelten Wertesystem kann durch sein überzeugtes Handeln als Vorbild dienen und alternative Möglichkeiten aufzeigen, die anderen helfen ihren eigenen Weg zu gehen – jenseits von standardisierten kollektiven Vorstellungen über richtig und falsch.