Des Kaisers neue Kleider – Die Achse des extravertierten Fühlens und introvertierten Denkens

Des Kaisers neue Kleider gehört zu jenen Märchen, die mich in meiner Kindheit sehr nachdenklich gemacht haben. Die Vorstellung, wie der nackte Kaiser an seinen Untertanen stolz vorbeischritt, um sein neues Gewand bestaunen zu lassen und dann dieser kindliche Zwischenruf, der das Spektakel jäh unterbrach, erzeugte in mir ein Unwohlsein.

Wenn ich mir das Raunen der Menschenmenge ausmalte, das Räuspern der Umstehenden, die Betroffenheit der Zuschauer und die versteckte Empörung jener, die sich vorgeführt erlebten, spürte ich als Kind Angst und Verzweiflung in mir aufsteigen.

Das vorlaute Kind tat mir leid. Ich wollte es schützen, da es mit seiner unschuldigen Naivität vermutlich den Zorn derer erregt hatte, die schon lange nicht mehr ihre eigene Sicht der Dinge darzustellen in der Lage waren.

Im Märchen setzt sich letztlich die Wahrheit durch, aber wie oft gelangen wir im Alltag in Situation, die wir als Verrat an uns selbst wahrnehmen. Antonia Dodge von Personality Hacker erlebt diesen Konflikt als ENTP mit ihrer zweiten und dritten Funktion und bezeichnet, dass sich dabei einstellende Gefühl als kognitive Dissonanz. Dies entspricht auch meinem inneren Erleben. Es handelt sich um einen zentralen Konflikt im Leben von Menschen, deren erste vier Funktionen die Achse des extravertierten Fühlens (Fe) und introvertierten Denken (Ti) beinhaltet.

Extravertiertes Fühlen (Fe) ermöglicht es uns, die Stimmung unseres Gegenübers aufzugreifen. Damit gelingt es uns auch, auf ein harmonisches Miteinander zu achten. Introvertiertes Denken hingegen macht uns darauf aufmerksam, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, dass Leute oft nicht nachdenken, sondern einfach nachplappern. Ti führt dazu, dass wir es selbst herausfinden wollen. Es zeigt uns Zusammenhänge auf. Wir spüren es in den Knochen, dass etwas nicht stimmt. Im Alleingang erkennt der Ti-Anwender für sich oft Wahrheiten, die nicht kompatibel sind mit allgemeinen Annahmen und die konträr zu festgefahrenen Botschaften und Glaubensgrundsätzen laufen.

Wenn du den Ti-Prozess stark im Fokus hast, wirst du vermutlich sogar einen inneren Zwang spüren, die „Dinge geradezurücken“ und deinen Mitmenschen mitzuteilen, wie es wirklich läuft.

Dabei handelt es sich immer um eine Gratwanderung. Je mehr Wert du dem Beitrag deiner Harmoniefunktion extravertiertes Fühlen (Fe) beimisst, desto schmerzhafter wirst du diesen Konflikt empfinden.

Mit deinem Fe sollte es dir gelingen, einen Weg zu finden, die Wahrheit so zu verkaufen, dass sie auch akzeptiert werden kann. Die Spannung zwischen deinem Fe und Ti spiegelt deinen Wunsch wider, deinem inneren Erleben treu zu bleiben. Wenn wir unserer eigenen Sicht nicht trauen können, wirkt sich dies negativ auf unser Selbstbewusstsein aus. Jeder Mensch hat seine eigene Art, diesen Konflikt aufzulösen. Zu den ungesünderen Methoden gehört es, den Konflikt unter den Teppich zu kehren oder seine Meinung lautstark ohne Rücksicht auf Verluste zu propagieren.

Die Herausforderung für die Fe-Hauptanwender ESFJ und ENFJ ergibt sich aus dem Bedürfnis ihres Kapitäns, Harmonie im Außen zu bewahren. Sollten sie den Konflikt nicht auflösen, wird es sich jedoch um einen Scheinfrieden handeln und nicht selten werden ihre Bestrebungen von Dritten als unehrlich verurteilt.

Ti-Hauptanwender wie der ISTP und INTP stellen sich hier zumeist auf die Seite der Wahrheit und tendieren dazu, sich von der Gruppe zu isolieren, um sich selbst treu zu bleiben. Wenn sie dem Zwang zur Offenlegung der Wahrheit ungebremst nachgeben, werden sie schnell den Widerstand der aufgebrachten Menge zu spüren bekommen.
Die richtige Tonart (Fe) bei der Vermittlung der Wahrheit (Ti) zu finden ist, ist die Herausforderung für ISTP und INTP. ISTP schaffen dies, indem sie im passenden Moment (Se) das Richtige für andere tun. Bei INTPs kann dieser Prozess etwas länger dauern. Denn oft zeigt uns erst die Zukunft (Ne), ob sich eine auf Ti basierende Theorie in der Praxis bewährt hat.