INFP – Der Idealist

Die dominante Funktion des INFPs ist das introvertierte Fühlen. Seine zweite Funktion ist die extravertierte Intuition.

INFPs gehören der Temperamentsgruppe der Idealisten an. Wie kaum ein anderer Idealist sind INFPs darauf bedacht, authentisch zu leben und ihr Verhalten ihrem gefühlsmäßigen Erleben anzupassen. Introvertiertes Fühlen gehört zu den Urteilsfunktionen. Die urteilende Einstellung bewegt INFPs dazu, in ihrem Inneren ein festes Wertesystem zu errichten, nachdem sie ihr Handeln richten und das sie unabhängig macht von den Meinungen anderer Menschen. Ihre zweite Funktion lässt sie das Potential einer Situation erkennen. Oft sind INFPs damit befasst, sich eine bessere Zukunft in Einklang mit ihren Idealen vorzustellen.

Unter Einfluss der extravertierten Intuition stecken INFPs voller kreativer Ideen und zeigen sich neuen Entwicklungen gegenüber offen. Dabei vermitteln sie ihren Mitmenschen auch den Eindruck einer gewissen Lockerheit im Umgang mit Strukturen und Konventionen.

INFPs haben sehr intensive und tiefe Gefühle. Da die Gefühlsfunktion nach innen gerichtet ist, sind INFPs eher weniger bereit, ihre Gefühle nach außen zu zeigen. Für Außenstehende können sie sogar kühl und distanziert wirken. INFPs mögen es in der Regel nicht, wenn sie direkt auf ihre Gefühle angesprochen werden. Auch die konventionelle Anfrage, wie es um die eigene Person steht, empfinden manche INFPs als unangenehm, umso mehr, wenn der Fragende nicht wirklich an der Antwort interessiert ist. Hier unterscheiden sie sich deutlich von dominanten Fe –Typen (ESFJ und ENFJ). INFPs empfinden das Bestreben dieser Typen in ihren Mitmenschen positive Gefühle zu erzeugen, oft als oberflächlich und unaufrichtig. Fe-Typen hingegen sind enttäuscht, wenn ihre Absicht, eine harmonische Atmosphäre zu schaffen, durch den INFP nicht getragen wird.

Im Allgemeinen teilen INFPs sich nur ihnen sehr nahestehenden Personen mit. Entsprechend kann die Bereitschaft eines INFPs, ihn besonders berührende Themen und Fragen anzusprechen, als Zeichen hohen Vertrauens betrachtet werden und sollte den Zuhörer veranlassen vorsichtig mit den Gefühlen des INFPs umzugehen. INFPs reagieren meist überempfindlich auf negative Kommentare zu ihnen sehr wichtigen Anliegen, selbst dann, wenn diese so nicht von ihrem Gesprächspartner beabsichtigt waren. In der Regel schlucken sie ihren Ärger hinunter, während sie sich innerlich von der Person distanzieren. Selbst wenn sie infolge einer Enttäuschung ihre Haltung zu einer Person ändern, ist dies oft nicht nach außen erkennbar. Ihr Gegenüber muss schon ein ziemlich gutes Gespür haben, um die Betroffenheit des INFPs zu bemerken.

INFPs haben eine ausgezeichnete Vorstellung von ihren emotionalen Empfindlichkeiten und Bedürfnissen und unterscheiden sich hier auch deutlich vom INFJ, dem es aufgrund seiner nach außen gerichteten Gefühlsfunktion oft schwer fällt, seine Gefühle von denen anderer Menschen abzugrenzen. INFPs sind meistens sehr gute Zuhörer, denen es leicht fällt, andere mit ihren Sorgen und Nöten zu verstehen und anzunehmen ohne diese voreilig zu bewerten. Sie sind ausgesprochen loyale Freunde, die sich ernsthaft um ihre Beziehungen sorgen.

INFPs entwickeln den Grad ihrer Verpflichtung gegenüber anderen Menschen aus ihrer tiefen emotionalen Bindung zu diesen Menschen. Aufgrund der inneren Verbundenheit empfinden INFPs gegenüber ihnen nahestehenden Menschen oft eine ungewöhnlich starke Zuneigung. Entsprechend sind INFPs in ihren engen Beziehungen zu großen Opfern fähig.

Neben ihren persönlichen Beziehungen verschreiben sich INFPs auch gerne einer Idee oder guten Sache, die sie persönlich berührt und inspiriert. Oft haben INFPs eine humanistische Gesinnung und streben danach, das Leben in ihrer Gemeinschaft menschenwürdig zu gestalten. Besondere Erfüllung finden diese INFPs in Berufen, in denen sie Gelegenheit haben, Menschen in ihrer Individualität zu bestärken und ihre Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit einzubringen.

INFPs haben im Allgemeinen eine entspannte Einstellung gegenüber ihren Mitmenschen und lassen wie alle P-Typen die Dinge lieber auf sich zukommen. Sie sind daher zumeist recht anpassungsfähig und umgänglich. Dies gilt allerdings nur, soweit INFPs keine Gefahr für ihr inneres Wertesystem sehen.
Im Gegensatz zu INFJs haben INFPs kaum das Verlangen, ihren Mitmenschen ihre Meinung mitzuteilen. Sie sind zumeist nicht daran interessiert, andere von ihren Werten zu überzeugen. Entsprechend sind sie ausgesprochen tolerant gegenüber Andersdenkenden. Sie gestehen anderen ihre unterschiedliche Lebensweise und Sicht der Dinge zu.

Aufgrund ihrer zurückhaltenden Natur entsteht gelegentlich der Eindruck, INFPs trauten sich nicht eine Meinung zu vertreten. Dies täuscht jedoch: Oft sind sich INFPs ihres Standpunktes sehr sicher. Da dieser Standpunkt auf sehr persönlichen miteinander kompliziert verwobenen Erfahrungen beruht und dieser zudem auch regelmäßig angepasst und neu aufgestellt wird, haben sie oft keine Lust bzw. scheuen die Mühe, andere Menschen von ihren Ansichten zu überzeugen. Viele INFPs fürchten zudem, dass die Tiefe ihres gefühlsmäßigen Erlebens ihre Mitmenschen überfordern könnte.

Wenn sie in ausweglose Situationen geraten, in denen ihre Werte verletzt werden, können sie erstaunlich resolut gegenüber dem Grenzverletzter auftreten, wobei sie nicht selten bereit sind eine Märtyrerrolle einzunehmen.

Sie werden von ihren Mitmenschen meist als unkonventionelle und individualistische Charaktere wahrgenommen und halten sich selber gerne abseits des Mainstreams. Sie gehören oft zu den ersten und aktivsten Verfechtern alternativer Lebensformen. INFPs sind sehr daran interessiert, ihre Persönlichkeit weiter zu entwickeln. INFPs hassen es, in Schubladen gesteckt zu werden und sind durchaus in der Lage, die stereotypen Erwartungen anderer an sie zu enttäuschen, wenn sie das Gefühl haben, unzulässig in ihrer persönlichen Freiheit eingeengt zu werden. Da INFPs jedoch eher nach Harmonie streben, meiden sie zumeist die offene Konfrontation und zeigen ihren Unwillen eher passiv durch non-konformes Verhalten.

Die minderwertige Funktion des INFPs ist das extravertierte Denken. Ähnlich den ISFPs nehmen INFPs oft Anstoß an institutionalisierten Verfahrensweisen, die den Bedürfnissen des Einzelnen nicht gerecht werden. INFPs übersehen gerne den Einfluss, den der Mangel an extravertiertem Denken auf ihre Entscheidungen hat. Gerade in jungen Jahren werden INFPs oft von ihrer dominanten Funktion verleitet, sich unrealistische Ziele, privat aber auch beruflich, zu setzen, wodurch so manches Traumschiff an den Klippen des Alltags zerschellt. Nicht selten reagieren sie verärgert auf die Umstände und kritisieren die Inkompetenz anderer Menschen, die aus ihrer Sicht zum Scheitern ihrer Ideen beigetragen haben, anstatt kritisch die Erreichbarkeit ihrer Ideale zu hinterfragen.

INFPs beschäftigen sich gerne mit Fragen zu ihrer Identität und zur Bedeutung des Lebens. Oft spüren sie einen inneren Drang, ihre Berufung im Leben zu finden. Unter Einfluss ihrer zweiten Funktion, der extravertierten Intuition, fällt es ihnen leicht alternative Wege auszumachen. Die Eigenschaft ihrer zweiten Funktion scheinbar endlos Möglichkeiten zu generieren, hat allerdings auch eine Kehrseite. Gerade, wenn INFPs eine Übereinstimmung zwischen ihrem inneren Ideal und äußerem Erleben spüren, macht sie ihre extravertierte Intuition auf neue Möglichkeiten aufmerksam und löst in ihnen Zweifel an der eingeschlagenen Richtung aus. INFPs erleben daher oft Phasen von Ruhelosigkeit, in denen sie alles hinterfragen. Dabei fällt es ihnen nicht leicht, ihre Bedenken zu artikulieren und ihren Familien und Freunden Gründe für ihre Unzufriedenheit zu geben.

Diese Phasen der Neuorientierung geben INFPs die Gelegenheit, ihre festen inneren Vorstellungen aufzuweichen und ihrem äußeren Erleben anzupassen. Wie alle introvertiert Urteilenden sind INFPs jedoch vorsichtig, ihre Meinung angesichts neuer Informationen zu hinterfragen. Junge und unreife INFPs mit einer nicht ausreichend entwickelten zweiten Funktion neigen daher dazu, neue Informationen nur in dem Umfang zuzulassen, der ihr bisheriges Wertesystem nicht hinterfragt. Dies erreichen sie in der Regel auf zwei Wegen. Entweder sie suchen sich immer wieder Projekte und sind bereit diese abzubrechen, wenn sich der Alltag nicht mit ihren Erwartungen deckt oder sie unterdrücken ihre Unzufriedenheit und verharren in Umständen wie z.B. Berufen, die sie innerlich nicht ausfüllen. Während sie die Erwartungen anderer Menschen im Berufsleben oberflächlich erfüllen, distanzieren sie sich innerlich hiervon und ziehen sich zurück auf ihr Privatleben. So versuchen sie, sich selber treu zu bleiben und ändern zugleich an den sie berührenden Umständen nichts.

INFPs, die keinen Widerspruch zwischen ihren Vorstellungen und ihrem Erleben ertragen, durchleben letztlich immer wieder Situationen, die ihnen keine neuen Erkenntnisse mehr bringen und schmoren damit im eignen Saft. Da sie ihr Privatleben in Übereinstimmung mit ihren Vorlieben zu leben suchen, meiden sie alle Situation außerhalb ihres privaten Bereichs, an denen sie Anstoß nehmen könnten. De facto lehnen sie neue Erfahrungen aufgrund ihrer Vorurteile ab. Damit entgeht ihnen zugleich die belebende Wirkung neuer Einsichten.

Da sie sich mit den abweichenden Ansichten ihrer Mitmenschen und Spielregeln der Außenwelt nicht auseinandersetzen, fällt es ihnen mit zunehmender Abschottung immer schwerer, anderweitige Standpunkte nachzuvollziehen. Im Endeffekt verlieren sie dadurch auch die Toleranz anderen gegenüber, welche normalerweise für ihre gesunden Typus kennzeichnend ist. In den Augen anderer Menschen wirkt das Verhalten solcher INFPs oft exzentrisch und unangepasst.

Die aus einer solchen Fehlentwicklung folgende Stagnation lösen INFPs auf, wenn sie akzeptieren, dass sie sich auf neue Situation ohne Vorurteile einlassen müssen und damit auch Erfahrungen zulassen, die ihren idealistischen Erwartungen an das Leben nicht entsprechen. Erst wenn sie einen fremden Standpunkt nicht als Bedrohung ihres eigenen Standpunktes erleben, können sie sich ehrlich damit auseinandersetzen, und in dessen Gefolge gelingt es ihnen auch, ihre eigenen Vorstellungen der Realität anzupassen. Eine solche entspannte Einstellung gegenüber neuen Erfahrungen mag aus Sicht des INFPs anfänglich zu einem Werteverlust führen. Tatsächlich ist diese Anpassung ihrer Ideale ein notwendiger Schritt zu wahrer Selbstverwirklichung. INFPs, die ihre Ideale im Einklang mit der realen Welt formen, nehmen mehr Einfluss auf ihr Leben als jene, die ihre überhöhten Ideale im stillen Kämmerlein zelebrieren.

Weiterführende Quellen auf Englisch:

Personalitypage.com

Interview mit Matt Sherman

Hinweis:

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass viele INFP und INFJ Probleme haben, ihren MBTI-Typ mit Hilfe entsprechender Testinstrumente korrekt zu ermitteln. Beide Typen werden öfter miteinander verwechselt. De facto bezieht sich der Irrtum auf die Buchstaben P und J. Gründe für dieses Problem habe ich in diesen Beiträgen angedeutet (Teil 1 und Teil 2). Ich empfehle daher bei letzten Zweifeln am Ergebnis, sich unbedingt auch die Typenbeschreibung des jeweils anderen Typs durchzulesen. Der INFJ und der INFP unterscheiden sich klar durch ihre unterschiedlichen dominanten Funktionen. Zum Weiterlesen empfehle ich bei Abgrenzungsschwierigkeiten den Beitrag auf Personalityhacker.com.

Update: In diesem Videobeitrag erkläre ich die Funktionsdynamik des INFP