Wir alle haben von Natur aus die Fähigkeit, durch Abwägung zwischen verschiedenen Handlungsalternativen eine optimale Entscheidung für uns zu fällen.
Die richtige Anwendung dieser Werkzeuge wird durch das Wissen um ihre Existenz und Bedeutung erleichtert.
Wenn wir uns der Grundlagen unserer Entscheidungen bewusst sind, erkennen wir unseren Handlungsspielraum und können besser zwischen möglichen Handlungsalternativen abwägen. Tatsächlich wissen wir oft nicht, weshalb wir uns zu einer bestimmten Handlung entschlossen haben. Seltsamerweise handeln wir trotzdem.
Die Ursache hierfür liegt in der aus der Evolution heraus entstandenen Konstruktion unseres Gehirns. Dieses hat sich über die Jahrmillionen aus einem einfachen Reptiliengehirn, dessen Träger kein Bewusstsein hatte und dessen Handlungen rein instinktiv abliefen, zu einem Entscheidungsorgan gemausert, mit dem wir in einer extrem komplexen Umwelt in der Lage sind, unter mehreren Handlungsmöglichkeiten die vorteilhafteste auszuwählen. Die bewussten Abwägungsprozesse für komplexe Entscheidungen laufen in der Großhirnrinde ab. Diese steht mit dem alten Hirnstamm im regen Austausch. Die Verknüpfung unserer bewussten und unbewussten Gehirnregionen ist unabdingbar.
Tatsächlich ist unser Gehirn darauf programmiert, alle jene Prozesse, die Routine sind, möglichst aus den bewussten Regionen zu verbannen, da das Großhirn, in dem das Bewusstsein angesiedelt ist, erheblich mehr Energie benötigt als das Stammhirn. Eine Verlagerung bestimmter Handlungsabläufe auf energiesparende Regionen des Stammhirns ist also effizient und notwendig. Aufmerksamkeit kostet verstärkt Energie und ist daher Prozessen vorbehalten, die eine Abwägung zwischen Handlungsalternativen benötigen.
Die Verknüpfung von Gehirnstamm und Großhirnrinde erzeugt jedoch Probleme, wenn wir uns komplexen Geschehen gegenüber sehen und instinktive Reaktionen kaum geeignete Lösungen bieten würden. Während wir die Entscheidung über Abläufe beim Radfahren gerne an das Unterbewusstsein abgeben, ist dies z.B. bei Auseinandersetzungen mit unseren Mitmenschen und der Bearbeitung von Problemstellungen in unserem beruflichen und privaten Alltag eher hinderlich.
Wenn unsere Entscheidungsinstanz versagt und die bewusste Kontrolle über den Entscheidungsprozess einstellt, übernehmen unsere unbewussten Regionen mehr und mehr die Kontrolle. Je weniger Aufmerksamkeit wir einer bestimmten entscheidungsrelevanten Funktion bei unseren Abwägungsprozessen widmen, desto weniger Einfluss hat diese auf unsere bewusste Entscheidung.
Tatsächlich ist es schwierig, alle Funktionen, die für eine bewusste Entscheidung über ein komplexes Geschehen sinnvoll sind, im Bewusstsein zu halten. Die Aufmerksamkeit, die hierfür aufgebracht werden kann, ist beschränkt. Wer sich für das Thema Aufmerksamkeit interessiert, kann sich hier bei Wikipedia informieren. Einen interessanten Artikel des Hirnforschers Gerhardt Roth zum Zusammenspiel von bewussten und unbewussten Prozessen in unserem Gehirn und die Auswirkungen auf unsere Entscheidungen findet sich in der Zeit-Ausgabe vom 22.11.2008.
Eine häufig genutzte psychologische Funktion im Bewusstsein wird in der Jung’schen Typologie als Hauptfunktion bezeichnet. Myers und Briggs führten hierfür den Begriff der dominanten Funktion ein. Diese nimmt infolge ihres verstärkten Auftretens in unserem Bewusstsein Einfluss auf unsere Persönlichkeit. Sie drückt uns sozusagen den Stempel auf und führt unsere Entscheidungen in eine bestimmte für die Anwendung der Funktion typische Richtung.
Dies muss jedoch nicht unbedingt vorteilhaft sein. Zwar werden wir dadurch zu Experten in der Anwendung dieser Funktion, gleichzeitig riskieren wird jedoch auch die Verdrängung anderer Funktionen aus dem bewussten Entscheidungsprozess. Je weniger wir bei wichtigen Entscheidungen unsere anderen Funktionen konsultieren, desto unangepasster werden unsere Entscheidungen. Bei weiter bestehendem Handlungsbedarf neigen die weniger bewussten Funktionen letztlich dazu, steuernd einzugreifen, um die Balance zwischen den von außen an uns gerichteten Anforderungen und unseren Bedürfnissen wiederherzustellen. Je unterentwickelter eine für die Entscheidung wichtige Funktion jedoch ist, desto primitiver und unberechenbarer erscheinen unsere hierauf gestützten Entscheidungen.
Durch die Kenntnis von den psychologischen Typen bekommst du eine anschauliche Vorstellung von der Funktionsweise der Arbeitsprozesse, die zu mehr oder weniger bewussten Entscheidungen führen. Du lernst deine dominante Funktion im Entscheidungsprozess kennen. Zugleich erkennst du, welche Arbeitsprozesse bei deinen Entscheidungen eher weniger berücksichtig werden. Das gibt dir letztlich die Möglichkeit dich weiter zu entwickeln. Gerade Mitmenschen, deren dominante Funktion identisch mit deiner schwach entwickelten Funktion ist, sind oft erstaunlich gute Modelle, um sich mit der Arbeitsweise der Funktion vertraut zu machen. Tatsächlich sind diese Mitmenschen oft auch Zielscheibe für unsere negativen Gefühle. Funktionen, die uns nicht so liegen, machen uns oft unsicher im Umgang mit Menschen, die hierin Experten sind. Das führt schon mal dazu, dass wir unseren Ärger in diese Mitmenschen hinein projizieren.
Was die Entwicklung der acht Funktionen in uns anbelangt, gibt es unter den Anhängern des MBTI viele unterschiedliche Modelle. Oft wird behauptet, es gäbe eine bestimmte Reihenfolge, in der sich die Funktionen entwickeln. Allerdings existieren hier verschiedene Vorstellungen. Das soll dich vorerst nicht weiter verwirren. Ich plane, in diesem Blog einige der vertretenen Modelle vorzustellen.